Da meine Mutter in Vollzeit als Steuerfachfrau in einer Anwaltskanzlei berufstätig war, verbrachte ich die ersten 7 Jahre meines Lebens bei meiner Großmutter. Als das nicht mehr möglich war, holte mich meine Mutter zu sich und richtete im Esszimmer ihrer Wohnung ein „Haus-Büro“ ein, damit ich nicht alleine war, wenn ich aus der Schule kam.
Das „Haus-Büro“ bestand aus einem fantastischen Möbelstück der Münchner Firma Schreibmayr, einem Schreibmaschinentisch mit einer IBM Kugelkopfmaschine und einem grauen Fernsprechapparat der Deutschen Post.
Ich erinnere mich als Kind daran, dass abends alles sauber aufgeräumt war, das „Haus-Büro“ geschlossen, die Schreibmaschine abgedeckt und wir in Ruhe am Esstisch essen konnten.
Nachmittags hingegen öffnete das „Haus-Büro“ seine Flügel, die Schreibplatte war herausgezogen und die Seitenteile ausgeklappt, die Schreibmaschine ratterte, das Telefon klingelte, der Esstisch war mit Akten und großen Buchhaltungsjournalen bedeckt und meine Mutter wirbelte zwischen allem herum. Ich erkämpfte mir meist die linke hintere Ecke vom Esstisch, für meine Hausaufgaben brauchte ich ja nicht viel Platz.
Heute wird mir klar, dass dieses Setup für 1972 ziemlich modern war, das damalige „Haus-Büro“ nennt sich heute „Home-Office“ (was sogar 1:1 übersetzt ist), der Fernsprechapparat ist ein Diensthandy, die einstmals extra mitgenommenen Akten und Buchhaltungsjournale werden auf dem Laptop via VPN, wenn sie benötigt werden, aus der Firma geholt, die Schreibmaschine weicht der Tastatur des Laptops und ein Drucker ist (hoffentlich) nicht erforderlich.
Vor allem braucht man heute nur einen geeigneten Tisch und kein so schönes Möbelstück mehr. Wobei ich bis heute nicht weiss, ob die Firma Schreibmayr dieses Möbelstück für Bürokräfte designt hat, die zu Hause arbeiten oder ob die Zielgruppe eher ambitionierte Verwalter des Privatlebens gewesen sind.

Ich habe selbst kein Foto mehr von diesem Möbelstück von Schreibmayr, daher habe ich eines von der Website „eBay Kleinanzeigen“ genommen und hier eingefügt, die Verwendung ist mit dem Ersteller des Fotos Ch. Schmidt abgestimmt und genehmigt, weitere Fotos vom Hausbüro sind da auch: https://www.ebay-kleinanzeigen.de/s-anzeige/real-vintage-schranksekretaer-hausbuero/2329497453-93-3449
17. Januar 2023 @ 08:54
Sieht in der Tat sehr analog aus. Man brauchte damals wohl auch etwas mehr Planung, welche Akten man mit nach Hause nahm. Heute reicht ja ein Tisch und Laptop. Geht auch spontan. 🙂
17. Januar 2023 @ 09:06
Tatsächlich hat sie jeden Tag zum Ende des Vormittags überlegt, was Sie für den Nachmittag braucht und das in einer größeren Aktentasche mitgenommen. Ich finde die tausend kleinen Fächer so irre, die Ordnung für alles mögliche bringen sollen. Im Unterschied zu dem abgebildeten Schrank hatte der von meiner Mam in den Flügeln rechts und links unten sogar Schienen für eine Hängeregistratur.